Entstörung eines KVM Switches   21.9.2020

Mein Sohn arbeitet Corona-bedingt viel von zuhause und auch viel via Videokonferenz. Er hat 3 Computer und mehrere Monitore im Einsatz, aber natürlich nur ein headset mit Kopfhörer und Mikrofon, sowie nur eine Tastatur und eine Maus. Um diese I/O devices immer auf den gerade benötigten Computer zu schalten, verwendet er einen KVM (keyboard, video, mouse) switch von ATEN, Typ CS1734B, der dies recht komfortabel erlaubt (Tastaturkürzel auf der Tastatur zum Umschalten, Monitor getrennt von Audio schaltbar, etc.). Hier findet sich seine Anleitung für einen SW-update dieses KVMs.

Leider berichteten seine Gesprächspartner von einem lästigen Pfeifen. Schnell war die Maus als Ursache entdeckt: immer, wenn er die Maus anhob, ertönte im Audio-Kanal bei seinen Telekonferenzpartnern ein Pfeifton. Gleiches Verhalten mit mehreren Mäusen (alles optische Mäuse, wie das heute so üblich ist). Ohne KVM war das Pfeifen nicht zu hören; es liegt also am switch. Hier beschreibt er das Problem aus seiner Sicht.

Wir öffneten den switch, der aus zwei gestackten Platinen besteht:

Da es nicht von Anfang an gepfiffen hat, vermuteten wir, dass irgendwas kaputt gegangen war, vermutlich ein Elko, der gealtert ist und Kapazität verloren hat, bzw. dessen ESR angestiegen ist. Ich habe dann die +5V an der USB-Buchse der Maus gemessen und da waren tatsächlich ca. 50mV NF-Signal auf dem Oszi zu sehen, die sich auch in der Frequenz änderten, wenn man z.B. die Maus anhob (weil sie dann nach der Unterlage gesucht hat). Das ist natürlich schon viel, wenngleich ein guter NF-Verstärker damit problemlos zurechtkommen sollte. Auf der Masseleitung war übrigens nirgends ein NF Signal zu sehen oder zu hören (mit einem NF Signalverfolger konnte ich das Maus-Pfeifen gut hören). Dafür war auch direkt an der +5.3V Stromversorgungsbuchse das Pfeifen deutlich zu hören.

Auf beiden Platinen sind viele 100F Elkos verbaut. Die meisten von ihnen blocken die 5V ab. Ich habe das ESR und die Kapazität gemessen: alles bestens. Ich habe dann auch die anderen Elkos alle gemessen und wo erforderlich ausgelötet: alles OK!

Also kein Elko, was dann? Die Stromversorgung geht von einem 5.3V (!) Steckernetzteil über eine Verpolschutzdiode, D11 (am unteren Rand, gleich neben der Stromversorgungsbuchse), die die 300mV Überspannung verbrät, sodass wieder ca. 5V auf der Platine ankommen. Ich vermutete einen zu hohen Widerstand der Diode und habe diese kurzgeschlossen (5.3V sind immer noch tolerabel): kein Unterschied.

Wenn schon kein defektes Bauteil zu finden war, so wollte ich zumindest oberflächlich die Wirkung (das Pfeifen) vertuschen, damit der switch wieder benutzbar wurde. Ich habe also angefangen, die USB-Buchsen (es sind 4 Stück vorhanden) mit grossen Elkos (1800F) zuzupflastern. Tatsächlich wurde das Pfeifen leiser, war aber immer noch hörbar. Mit noch mehr Elkos an verschiedenen Stellen auf dem Board (direkt beim 5V-EIngang, an jeder Buchse, etc.) konnte ich es bei 3 Buchsen wegdämpfen. Nur bei der oberen Buchse des kleinen 2xUSB-Turms ging es einfach nicht weg. Oh well, ich dachte, es reicht so.

Leider nein, weil genau das die Buchse für die Maus war und nur diese Buchse die Maus-Umschalt-Signale auswertete. Also noch nicht fertig.

Eine Idee war, einen USB-Switch mit eigener Stromversorgung zwischen Maus und KVM zu schalten. Das hat auch tatsächlich funktioniert (ohne Pfeifen), jedoch schaltete die Maus damit deutlich später um, was in der täglichen Benutzung sehr verwirrend war. Ausserdem war der zusätzliche Kabelsalat nicht schön. Unbefriedigend.

Da mein Sohn den KVM dringend brauchte und sich das schon Tage hinzog, ohne klaren Weg zum Ziel, kaufte er einen neuen switch der gleichen Marke und des gleichen Typs (denn eigentlich war er damit sehr zufrieden - bis auf das vor kurzem neu aufgetretene Pfeifen). Oh Wunder: der neue switch pfiff von Anfang an!

Dies war ein wichtiger Hinweis, denn statt Austausch eines defekten Bauteils vermutete ich nun einen Serienfehler, einen Designfehler und das erforderte einen anderen Lösungsansatz. Nun ging es darum, die Schaltung so zu ändern, dass das Pfeifen nicht bis in den Audio-Teil gelangen konnte. Am einfachsten wäre es gewesen, die Versorgung für den Audio-Teil zusätzlich zu filtern, etwa durch Einbau eines LDO Reglers, der bereits mit den 0.3V Mehrspannung die 50mV NF hätte ausfiltern können. Leider war dies nicht leicht möglich, da es sich um mindestens 4-lagige Platinen handelte und das NF Signal auf beiden Platinen geroutet und verarbeitet wurde. Auch waren die 5V für die USB Buchsen untrennbar mit der Audioversorgung verbunden.

Die zweite Möglichkeit war, die 50mV erst garnicht bis zur 5V Versorgungsleitung durchkommen zu lassen. Ein einfacher Kondensator ist ja kein richtiges Filter, da muss noch ein L oder ein R her! Für ein L bei diesen niedrigen Frequenzen (ca. 800Hz beim Suchen des Untergrunds bzw. 66Hz im Normalbetrieb der Maus) war kein Platz und auch nichts Passendes vorrätig. Also musste es ein RC Filter tun. Dann aber gleich ein zweistufiges (Filter 2. Ordnung): R-C-R-C.

Um es vorweg zu nehmen: ich habe mittlerweile den alten und den neuen KVM umgebaut, beide leicht unterschiedlich: beim zuerst umgebauten alten KVM habe ich noch eine direkte Leitung von der oberen Platine auf die untere zum +5.3V Eingang verlegt (Stichwort Sternverdrahtung). Sicher nicht schlecht, aber nicht erforderlich, sodass ich sie beim neuen KVM weggelassen habe.

Ah ja, vom Maus USB Port kann auch noch die Betriebsspannung abgeschaltet werden, sodass ich eigentlich garnicht direkt auf die +5V gehen darf. Es zeigte sich aber, dass dieses Abschalten wohl nicht unbedingt erforderlich ist, denn es geht auch bei Dauer-Plus an der Maus.


Hier sieht man die Messanordnung mit dem Signalverfolger am NF-Ausgang und der optischen Maus (liegt auf dem Rücken).


Der ideale Platz für den Einbau des Filters war die 500mA Polyfuse: auf dem Bild sind die drei goldenen Sicherungen erkennbar. Die mittlere Sicherung sichert die Maus-Buchse und liegt direkt in der +5V-Leitung zur Maus.


Nach Auslöten der Sicherung konnte diese durch das R-C-R-C Filter ersetzt werden. Dabei wurde C zu 1000F und R zu 4.7 Ohm und 5.1 Ohm gewählt. Der Wert für den Widerstand muss für eine hohe Dämpfung möglichst groß sein, darf aber nicht zu hoch sein, denn sonst bricht die Versorgungsspannung für die Maus zu sehr ein. Bei den gewählten Werten bekommt die Maus immer noch 4.6V, was gerade noch genug ist. Die Sicherung ist nicht mehr erforderlich, da die ca. 10 Ohm Serienwiderstand (4.7 Ohm + 5.1 Ohm = 9.8 Ohm) den Strom automatisch auf 500mA (5V / 10 Ohm = 0.5A) begrenzen.

Bei dieser Gelegenheit sind mir echt die Augen aufgegangen, wieviel Unterschied es macht, statt eines einfachen Kondensators ein RC Filter zu verwenden, selbst wenn der Widerstand R relativ klein ist. Um das zu sehen kann man einen Filterrechner im Netz verwenden. Bei R2=4.7 Ohm und C2=1800F (im Schaltplan unten also testweise R1=0.01 Ohm, C1=1pF, womit sie dann praktisch nicht mehr existieren) beträgt die Dämpfung bei 1kHz statte 34dB! Das ist eine 50-fache Unterdrückung des Pfeifens! Von 50mV auf 1mV!

Nur zur Erinnerung: bei Spannungen berechnet sich das Verhältnis der Spannungen aus dem dB-Wert d (d ist bei Dämpfungen negativ, hier also z.B. d=-34dB) zu
Uo/Ui = 10 d/20 = 10 -34/20 = 10 -1.7 = 0.02
Mit Ui = 50mV sind das dann Uo = 0.02 * Ui = 0.02 * 50mV = 1mV.

Bei C=1000F (da für den 1800F nicht genug Platz ist) sind es immerhin noch 29dB, also 28-fache Unterdrückung. Das lässt aber noch fast 2mV NF stehen, möglicherweise zu viel.

Daher habe ich ein Filter zweiter Ordnung verwendet.

R1 = 5.1 Ohm
C1 = 1000F
R2 = 4.7 Ohm
C2 = 1000F
Damit ergibt sich eine Dämpfung von 59dB, also 891-fach! Das verringert die 50mV auf 56V! Absolut ausreichend.

Ich empfehle jedem, einmal mit verschiedenen Bauteilewerten zu spielen, das ist sehr instruktiv!


Hier sieht man die ca. 35mV direkt an der USB Buchse nach Einbau des RCRC Filters (die Spannung ist durch C2 bereits von 50mV auf 35mV gesunken). Oszi Kanal 1, 5mV/cm, 5ms/cm.


Und hier die Spannung auf der +5V Leitung der Platine (gleiche Einstellung am Oszi): es ist nichts mehr von der Maus zu sehen und auch nichts mehr zu hören!

Mission accomplished! :-)

P.S.: Wer den KVM nicht öffnen möchte (etwa wegen Garantieverlust) kann das Filter auch extern in die +5V Leitung der Maus einbauen. Wenn man SMD-Bauteile verwendet, passen die vier Bauteile vielleicht sogar in einen etwas dickeren USB-Zwischenstecker rein.

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